Alle Artikel von Jens Lippert

Die alte Frau und das Meer

Die Gartenpflanzen sind  Jahrzehnte, der Beton ist höchsten fünf Jahre alt.

Die Gartenpflanzen sind Jahrzehnte, der Beton ist höchsten fünf Jahre alt.

Unser Gastgeber André arbeitet im Management des “Bridge Resort”, einem frisch für die Olympiade gebauten Hotelkomplex direkt neben dem Gelände der Olympischen Spiele. In Sicht- und Rufweite zur abchasischen Grenze wurde für das riesige Areal, das wir alle aus den Livebildern des Februars kennen, eine ganze Sumpflandschaft trockengelegt, zuvor gab es nur an vereinzelt erhöhten Stellen kleinere Fischerdörfer. Weiterlesen

Russlands Riviera

Gesellschaftliches System zur Klassifizierung von Objekten der touristischen Industrie

Gesellschaftliches System zur Klassifizierung von Objekten der touristischen Industrie

Vor 27 Jahren legte mein Opa fest, daß er die Fotos entwickeln würde. Das sei nötig, denn der Filmtransport hätte nicht richtig funktioniert; wenn man die Filme in die Entwicklung geben würde, kämen garantiert keine brauchbaren Bilder heraus. Im Hotel “Tschemschuschina” wurden die Filme unter der Bettdecke aus der Kamera genommen und lichtsicher verpackt. Am Ende gab es kein einziges Foto, denn alle Filme waren doch vor der Entwicklung belichtet.
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Kharkov – Sochi

Zug und Nacht und Rostov

Zug und Nacht und Rostov

Von Kharkov nach Rostov am Don, platzkartnui Wagon. Die Tickets kosten für die ganze Strecke bis Sochi nicht um die fünfzehn, sondern siebzig Euro pro Person. Die Abteile sind eng, keine Türen zum Abschließen. Den Raum, auf dem im Coupe vier Fahrgäste liegen, teilen sich hier sechs Leute. Noch weniger Privatsphäre und diesmal keine schöne Ukrainerin in Sichtweite. Weiterlesen

Kharkov- Ukraine- Welt: Ein Essay

Lenin und seine Bewacher

Lenin und seine Bewacher

Das Verblüffende an den russischen Separatisten ist, dass man sie im Stadtbild nicht wahrnimmt. Wären da nicht die zehn Omas und Opas, die mit ihrer Fahne der russischen Armee vor dem Lenindenkmal sitzen. Für wenige Stunden ist ein weiterer Stand aufgebaut, dessen Fahnen das Orange-Schwarz gestrichene mit dem bekannten Rot ergänzen. Rechts die Fahne der UdSSR, links die Fahne der ukrainischen Arbeiterpartei. Neben Hammer und Sichel wird diese um den Namen der Partei ergänzt.
Wir setzen uns etwas abseits auf die Sockeltreppe und trinken zuvor erworbenen Kaffee. Die Sonne wärmt den Rücken.
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Ostern am Schwarzen Meer

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Babuschkas und Bisnes

Alexandr versicherte uns, er habe eine Ersatzwohnung, die noch besser sei, als die, welche wir gebucht haben; wir haben uns 10:00 Uhr bei der Adresse verabredet. Also warten wir vor dem Eingang zum Ersatzdomizil. Ein orthodoxer Jude spaziert an uns vorbei, seine beiden kleinen Töchter rechts und links an der Hand. Vor dem Laden “Make My Cake” (hier gibt es individuellen Kuchen, Coffee-to-go und Klimbim) steht das perfekt gestylte Hipster-Bike. Entsprechender Zopfträger nippt am Kaffee und touchscreent dabei sein Smartphone. Ein Asiate telefoniert im Vorbeihetzen in asiatischer Sprache. Wenig später drei Jugendliche, die sich auf arabisch verständigen. Innerhalb einer Minute begegnen sich verschiedenste Kultursphären und bilden Alltag. Zweie sitzen auf dem Bordstein, die Rucksäcke lehnen an einer Platane.
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Gde nachoditsa Wogsal?

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Halbzehn, auf zum Bahnhof, Zugtickets kaufen. Die grobe Richtung kennen wir, gestern waren wir bereits da, ich stellte mich am ersten Schalter an und erfuhr dort, welcher Schalter der richtige gewesen wäre, also Anstellen bei Schalter Nummer Neun. Beim Anstehen kommt es auf die richtige Erziehung an, einmal noch kurz die Freiheit einatmen und dann stehen, in der Schlange, Geduld üben, langsam ein- und ausatmen. Dirk fing schnell an herumzutänzeln: “Ich geh rüber zur Information, da ist keine Schlange. Ich frag mal, ob wir das auch online machen können.” Nach kurzer Zeit kam er zurück mit einem Zettel: “Hier, hör auf hier rumzustehen, die Angestellte war sehr freundlich und hat mir alles aufgeschrieben.” Also ab ins Domizil, online buchen. Es regnete heftig, wir nahmen ein Taxi. Der Taxifahrer gab 50 Grivna als Beförderungspreis an, wir fuhren los, ich redete mit Dirk Belangloses.
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Berlin – Lviv

Busschild
ZOB Berlin, es hagelt. “Tscheres tritsatch minut” sagt der Busfahrer am Telefon.
Zweie sitzen auf der Busbahnhofsbank, die letzte Sportzigarette ist weggeraucht, eine Mülltonne wird vorbeigeschoben.
Der Bus scheint überbucht zu sein. Russisch, Ukrainisch, Deutsch. Reihenfolge bedingt durch die Menge der Wortfetzen in jeweiliger Sprache. Die Sitzlehnen sind eindeutig zu kurz. Der Kopf ragt über und der Hals schmerzt nach wenigen Minuten in zurückgelehnter Haltung. Das Wetter ist ausreichend gut, perfektes Busreisewetter. Weiterlesen

tscheremscha

Tscheremscha!

“Das sind Bohnen” kaute André, der Deutschrusse, Projektleiter unserer Expedition auf der Krim. “Nein, ist es nicht” erwiderte ich. “Das ist Tscheremscha, Knoblauchgras nenn ichs.” “Na, irgendwas mit Bohnen ist es doch.” Gibt es auf jedem Ruinok, stinkt wirklich intensiv nach Knoblauch, sauer eingelegte Bergknoblauchstengel, wie ich durch Recherche für diesen Text herausfand. “Kak nasiwajut eto?” fragte ich beim nächsten Besuch die alte Oma hinter ihrem Stand und zeigte auf beschriebene Bohnen. Als sie mit ihren drei übrigen Zähnen “Tscheremscha” geantwortet hatte, kaufte ich grinsend ein, ich Klugscheißer.