Alle Artikel von Dirk Ramthor

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Sibirische Fischsuppe

Ich habe das nur rudimentär verstanden. Aber der alte Mann, dessen Namen ich heute schon vergessen habe, sagte, er sei nach dem zweiten Weltkrieg aus einem Arbeitslager in Zentral-Sibirien auf die Krim gelaufen. Er wohnte für sich allein ein Stück außerhalb eines kleinen Dorfes am Asowschen Meer, fast siebzig, braungebrannt, sportlich und die Finger an seiner rechten Hand gelbbraun vom Rauchen. Er machte Fischsuppe, indem er zwei Fische, die er geangelt hatte, mit einem gekonnten Schnitt am Bauch aufschlitzte, sie samt Kopf und herausgetrennten Eingeweiden zu ein paar Möhren und Petersilie in einen Topf warf und die halbe Stunde Kochvorgang mit dem Trinken von Konjak und dem Drehen und Rauchen von Zigaretten ohne Filter überbrückte. Unter seinem offenen Hemd schimmerte das Gesicht Lenins durch, was er sich selbst auf seine Brust tätowiert hatte. Ich nahm ein gekochtes Fischauge zwischen die Zähne und ließ es platzen. Es schmeckte hervorragend.

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Berlin – Simferopol

Nach 42 Stunden Zugfahrt endlich eine Tasse Instantkaffee 20 Meter vom schwarzen Meer entfernt am östlichen Rand der Krim. Der Kaffee schwarz, das Meer nicht, es schimmert bläulich grau.

06.11., Berlin HBF (tief) – Mit dem Zug von Berlin auf die Krim ist zuvörderst ein Abenteuer auf 1,5 qm Schlafwagenzelle. Die Betten dreifachgestockt, keiner spricht Deutsch oder Englisch. Warum auch. Der Zug ist zusammengestückt aus Wagons diverser osteuropäischer Staatsbahnen, das verraten die rostblasigen Embleme. Wir sitzen im ältesten von allen, der am weitesten fährt. Obwohl wir noch nicht losgefahren sind, haben wir bereits 25 Minuten Verspätung. Die Wagonmatroschka lacht: Speisewagen? Es gibt keinen Speisewagen. Zum Glück sind wir zuerst zu Penny. Von draußen schauen ICE- Deutsche in unseren Wagon und lächeln über die armen Seelen, die in Zügen aus Zeiten der DDR in Zeiten vor der DDR zu fahren scheinen. Wir sitzen mittendrin und trinken schon vor der Abfahrt Schnaps. Noch 42 Stunden. Weiterlesen

Schon wieder der Staatsanwalt

Er war selbst noch nie dort, aber es soll da ganz hervorragendes Essen geben – unser Freund Igor hat uns ins – laut seiner Aussage – beste Restaurant der Stadt eingeladen. Letztendlich musste ich vor dem Essen dort flüchten und esse gerade ein warmes Brötchen gefüllt mit Hack, Zwiebeln und Knoblauch am tatarischen Straßenimbiss. In der Hand sieht es aus, als hätte ich in ein Aliengehirn gebissen. Aber von vorn:
Das Schild mit dem Namen des besten Ladens der Stadt konnte ich nicht lesen, da es nicht beleuchtet war. Will heißen: die Lampe war kaputt. Also keine Absicht. Im Vorraum des Kellers, in dem sich das Restaurant befindet, begrüßte mich ein hagerer Mann in den verzweifelten 50ern, der an einen Eisverkäufer in den 90ern im Leipziger Capitol erinnerte. Sein ehemals weißes Hemd war milchig wie seine Zähne; sein asymmetrisches, krudes Gesicht auf seltsame Art liebenswürdig. Der arme Mann, musste hier Jacken aufhängen, für uns, die einzigen Gäste. Weiterlesen

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Weltraumbahnhöfe und Borschtsch

Bei Starkregen und Nordwind Fahrt zum Weltraumbahnhof Bagerowo, einer zugewachsenen Betonwüste im Nichts, auf deren von Rindern besiedelter Landebahn laut Aussage unserer ukrainischen Freunde ein Space Shuttle landen könnte. Im Moment wird allerdings das letzte noch verbliebene Gebäude, ein Hangar, gerade von vier Bauarbeitern mühsam und langsam abgetragen, um ihn woanders wahrscheinlich mühsam und langsam wieder aufzubauen. Hier habe sich vor vielen Jahren der Start der ersten russischen Atombombe ereignet, wird uns von unserem Fahrer Walodja mit großen Augen zugetragen. Der Grund für den Ausflug ist der Besuch einer Baufirma, deren zehn Mitarbeiter damit beschäftigt sind, Steine zu klopfen, Drähte zu binden und viel zu teure Maschinen zu reparieren, weil sie falsch bedient wurden. Weiterlesen

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Die Katakomben von Kerch

Mit Spritzen- Igor nicht nur am Ende, sondern auch am Arsch der Welt.

Am Eingang Kot, Knochen, abgeschnittene Colaflaschen. Hier drinnen haben sich also die Partisanen versteckt, als die Deutschen kamen und ihre Frauen und Kinder töten wollten. Geholfen hat es ihnen nicht, denn wie wir wissen, waren die Deutschen dieser Zeit erbarmungslose Monster und alle sind gestorben. Hier geht es laut Aussagen unseres ukrainischen Expeditionsleiters Igor in die 14 Quadratkilometer großen Katakomben unter der Stadt im Osten der Krim. Weiterlesen